Sergei Sviatchenko: »Our House«
Ausstellung in der Kgl. Dänischen Botschaft
Sergei Sviatchenko gehört zu den weltweit einflussreichsten zeitgenössischen Collagenkünstlern. Die Ausstellung in der Kgl. Dänischen Botschaft zeigt eine Auswahl seiner herausragenden Architekturcollagen mit einer besonderen Verbindung zu Berlin.
Darunter sind Werke aus der Reihe »Our House. Homage to Arne Jacobsen« (2019-2020) mit Collagen des bekannten grünen Einfamilienhauses des dänischen Architekten im Berliner Hansaviertel, nur wenige hundert Meter von der Botschaft entfernt. Außerdem Arbeiten aus der Reihe »Dream Machine. Homage to INTERBAU 57 Berlin« (2019) zu sehen, mit Architekturcollagen von Gebäuden der internationalen Bauausstellung Interbau 57 – ebenfalls im Berliner Hansaviertel –, für die internationale Architekten wie Arne Jacobsen, Le Corbusier, Alvar Aalto, Oscar Niemeyer oder Walter Gropius einzigartige und zeitlose Architektur schufen.
Im Rahmen der Serie »Dream Machine« entstand auch dieses Video von Noriko Okaku mit Artwork von Sergei Sviatchenko und Musik von Konstantin Schimanowski, das unabhängig von der Ausstellung einen Eindruck von Sviatchenkos künstlerischer Arbeit vermittelt:
Sviatchenkos Werke basieren auf dem LESS-Prinzip, das der Künstler 2004 als Reaktion auf die oft unüberschaubare Verwendung von Elementen in der klassischen und modernen Collage selbst einführte. Das LESS-Prinzip zeichnet sich durch eine strikte Reduzierung der bilderzeugenden Elemente aus, häufig nur zwei bis drei auf einem Foto oder klaren Farbhintergrund platzierte Stücke.
Über den Künstler
Sergei Sviatchenko (Jahrgang 1952) studierte Kunst und Architektur an der nationalen Kunsthochschule in Charkiw, Ukraine, und an der Architekturakademie in Kiew. 1990 zog er nach Dänemark und lebt und arbeitet seitdem in Viborg, wo er 2002 Senko Studio gründete, von wo aus er bis 2009 wechselnde Ausstellungen kuratierte. Anschließend gründete er den Modeblog Close Up and Private, der schnell internationale Anerkennung fand.
Sviatchenko wuchs in den 1960er Jahren in der Ukraine auf und erlebte die revolutionären Veränderungen in der Weltgemeinschaft aus erster Hand. In seiner Kunst verbindet er Popkultur mit Politik, Geschichte, Wissenschaft und Architektur. Sviatchenkos Kunst ist geprägt von seinem Hintergrund als Architekt, findet aber auch Inspiration in bedeutenden kunsthistorischen Strömungen wie der sowjetischen Avantgarde, dem Konstruktivismus, dem Surrealismus, dem abstrakten Expressionismus und der Popkultur, in denen Musik eine zentrale Rolle spielt.
Sviatchenkos Gemälde und Collagen wurden u. a. in Dänemark, Deutschland, Italien, Frankreich, England, Kanada und den USA ausgestellt. Er steht hinter einer Reihe großer Raumdekorationen für Unternehmen wie Jyske Bank, Universität Aalborg, Poul Due Jensen Academy, Grundfos und Magasin du Nord. Sviatchenko ist Gründer der LESS Collage Academy – International Academy for Contemporary Collage Art.
Gespräch mit Sergei Sviatchenko
Das Interview führte Kunsthistoriker und Kurator Christian Kortegaard Madsen.
Was ist LESS-Collage?
Ich habe das LESS-Prinzip 2004 in meiner gleichnamigen Serie eingeführt, die als Reaktion auf die vielfach fragmentierte und oft unüberschaubare Verwendung von Elementen in der klassischen und modernen Collage entstanden ist. Das LESS-Prinzip zeichnet sich durch eine sehr strikte Reduzierung der Elemente aus, die das Bild erzeugen. Tatsächlich verwende ich oft nur zwei oder drei Elemente, die auf einem Foto, wie es z. B. bei den Arne-Jacobsen-Collagen der Fall ist, oder auf einem deutlich klaren und rein farbigen Hintergrund platziert sind. Wenn die Elemente optimal platziert sind, können sie eine ganz neue Realität schaffen. Es ist ein bisschen so, als würde man eine Hand vor das Gesicht halten und dann ein Selfie machen – der Ausdruck ist deutlich anders, obwohl das Instrument einfach ist! Oft kann ich das Motiv aus einem narrativen und geografischen Kontext befreien und die ansonsten erkennbaren Elemente traumhaft oder surreal machen. Die Schnitte, die ich im Originalmaterial mache, bringen es einem mehrdeutigen und abstrakten Motiv näher, in das die Menschen selbst Sinn projizieren können.
Warum mit Arne Jacobsen arbeiten?
Alles in Arne Jacobsens Werk strebt nach Zukunft und wird zu einem erwartungsvollen Ausforschen des Möglichen. Jacobsen war unglaublich lösungsorientiert, ohne jedoch den Sinn für Materialität, Qualität, Form und Farbe zu verlieren. Jacobsens Produktion ist für gewöhnliche Menschen gemacht, und obwohl der Fokus auf Komfort und Funktion liegt, kommt er durch seinen Sinn für Proportionen und Materialien zu einem ästhetischen Ergebnis, mit dem man sich ein Leben vorstellen kann.
Warum ist es interessant, die Serien »Dream Machine« und »Our House« zu kombinieren?
Die beiden Serien sind in gewisser Weise bereits miteinander verbunden – sowohl durch ihre Ähnlichkeiten als auch durch ihre Unterschiede. Mit Arne Jacobsens Wohnkonzept, das aus kubischen Raummodulen mit großen Fensteröffnungen zu einem grünen und üppigen Innenhof bestand, verband er eine ländliche und eine urbane Atmosphäre. Man kann sagen, dass Jacobsen sein Wohnkonzept für den modernen, holistischen Menschen machte, der sowohl aus Kultur als auch aus Natur besteht. Es ist ein nachdenkliches und sympathisches Konzept, das die Prinzipien der skandinavischen Moderne zeigt. Meine künstlerische Interpretation der Gebäude von Arne Jacobsen unterstützt die Bedeutung der Idee von Details, die für Jacobsens Arbeit so charakteristisch sind.
Die Interbau 57 war ein Wohnbauprojekt, das im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1957 im Westberliner Hansaviertel gebaut wurde. 48 internationale Architekten – darunter Arne Jacobsen, Le Corbusier, Alvar Aalto, Oscar Niemeier, Walter Gropius usw. – entwarfen eine einzigartige, zeitlose Architektur, die es verdient, diskutiert und erforscht zu werden – nicht zuletzt künstlerisch! Und hier bemühe ich mich mit meinen Collagen, eine surreale, traumhafte Perspektive hinzuzufügen, in der bekannte Fragmente, dies gilt auch für Jacobsens Gebäude, kombiniert werden und neue Zusammenhänge und Ganzheitlichkeiten schaffen. Die Collagen ziehen Grenzen zwischen dem Persönlichen, dem Sinnlichen und dem Unbewussten, die unsere Vorstellungskraft nähren.
Was kann Collage, was andere traditionellere Kunstmedien nicht können?
Die Collage ist per Definition ein gemischtes Medium, bei dem das Ganze in Fragmente zerlegt wird, die zusammengefügt werden, so dass ein neues Ganzes entsteht. Die Collage funktioniert somit als Kaleidoskop, das Ereignisse, Erfahrungen und Stimmungen aus verschiedenen Zeiten in der Geschichte oder in unserem Leben enthält. Auf diese Weise kann man auch sagen, dass die Collage mit unserer Interpretation und unserem Verständnis der Realität spielt. Sie ist geprägt durch Spontanität und Ehrlichkeit; eine irreführende Einfachheit, und dann kann sie normalerweise von jedem gelesen werden.
Foto: Sergei Sviatchenko
Besuch der Ausstellung
Die Ausstellung wird im Foyer der Kgl. Dänischen Botschaft gezeigt. Aufgrund von Corona-Maßnahmen ist sie derzeit leider nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Sobald Besuche möglich werden, informieren wir Sie an dieser Stelle.